Wissenswertes über Training
Warum ist Training so wichtig?
Auf der anderen Seite sind unsere Hunde als hochsoziale Wesen aber sehr wohl in der Lage einzelne Worte unserer Sprache oder Gesten zu erlernen bzw. mit erwünschten Verhaltensweisen zu verknüpfen. Training bedeutet also, unserem Hund freundlich und mit Spaß beizubringen, bereitwillig und gerne auszuführen, was wir von ihm wollen. Ich würde gedanklich sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass es unsere Pflicht ist, unseren Hund mittels Training bestmöglich auf das Zusammenleben mit uns Menschen vorzubereiten - das sind wir ihm in gewisser Weise auch schuldig.
Des Weiteren bietet Training folgende positive Aspekte:
- Körperliche Betätigung
- Geistige Stimulation und Auslastung
- Erlernen von kooperativem Verhalten – insbesondere für das Leben in unserer menschengeprägten Umwelt, das oftmals mit Reizüberflutung einhergeht
- Stärkung der Bindung zwischen Hund und Halter
Wie „geht“ Training?
- Verhalten etablieren
- Verhalten unter Signalkontrolle bringen
- Verstärkerplan ausdünnen
- Generalisieren des Verhaltens (inkl. z.B. Dauer, Entfernung, Ablenkung, Schwierigkeit)
Viele Trainingsprogramme hören schon nach dem ersten bzw. zweiten Punkt auf und daher wird das erwünschte Verhalten nicht „jederzeit abrufbar“ und folglich auch nicht für die Ausführung in schwierigen Situationen erlernt.
Beispiel: Zuhause oder im Garten folgt der Hund bereitwillig den Signalen Sitz oder Platz. Sobald man diese Signale aber draußen in Situationen abrufen will, wo relativ viel Ablenkung herrscht (z.B. andere Hunde oder interessante Gerüche bzw. Schnüffelstellen), reagiert der Hund entweder nicht oder braucht gefühlt eine halbe Ewigkeit und 5 Aufforderungen bis er das gewünschte Verhalten zeigt - wenn überhaupt. Die Position hält er dann auch nicht besonders lange und rumpelt plötzlich wieder los und der Besitzer schreit ihm hinterher und schimpft. Dies ist ein klassisches Beispiel für fehlendes Generalisieren des Verhaltens: Sitz oder Platz wurde offensichtlich nicht ausreichend in verschiedenen Umgebungen (Straße, Wald, Feldweg etc.), nicht auf Dauer (bspw. Sitz gilt solange bis es entweder aufgelöst oder von einem anderen Signal abgelöst wird) und nicht unter Ablenkung (andere Hunde, viele Menschen, spannende Gerüche etc.) trainiert.
Und weniger ist mehr! Kurze Einheiten mehrmals am Tag (5 -10 Minuten) sind besser als lange, ermüdende Trainingseinheiten.
Was bedeutet "positive Verstärkung" oder Trainieren mit einem "positiven Verstärker" eigentlich genau?
Definition Verstärker:
Ein Verstärker ist ein Stimulus, der, wenn er in Abhängigkeit von einem Verhalten hinzugefügt oder entfernt wird, das zukünftige Niveau dieses Verhaltens bei nachfolgenden Gelegenheiten erhöht oder aufrechterhält.
(Quelle: CASI Glossary of behaviorological terms and abbreviations)
Positiver Verstärker:
Wichtig ist, dass immer der Hund entscheidet, was für ihn letztlich ein Verstärker ist (sonst wäre es ja keiner) und dies kann von Hund zu Hund variieren.
Training mit positiven Verstärkern:
Einfach ausgedrückt, erhöht man durch das Hinzufügen eines Verstärkers die Motivation des Hundes, das jeweilige Verhalten in Zukunft wieder bzw. häufiger zu zeigen.
Und das ist ja das, was wir mit Training am Ende des Tages erreichen wollen.
Dies führt uns gleich zum nächsten wichtigen Stichwort: die Motivation.
Ohne Motivation findet kein Lernen und folglich keine Verhaltensänderung statt. Dies liegt in der Natur der Sache: ein neues oder anderes Verhalten muss sich für ein Lebewesen lohnen – es ist ja zunächst mit Aufwand verbunden. Sonst macht es, biologisch gesehen, keinen Sinn dafür Energien zu verschwenden und es wäre sinnvoller und effizienter beim „Alten“ zu bleiben. Lernen ist aber dennoch eine biologische Notwendigkeit, weil es die Fähigkeit beinhaltet sich an neue Gegebenheiten im Laufe eines Lebens anzupassen.
Nun kommen wir zu dem Punkt, wo einige Hundehalter sagen: „ich kann und mag dem Hund nicht immer für jede Kleinigkeit Futter geben müssen“. Klar, das kann man nachvollziehen, aber wenn man es richtig aufbaut (siehe „wie geht Training, Punkt 3), dann reduziert man das im Laufe des Trainingsfortschritts auch bald wieder und kann dies mit Zugang zu natürlichen Verstärkern in der Umwelt (Freilauf, Schnüffeln, Spielen, Pfütze springen😉) ersetzen bzw. die Frequenz der positiven Verstärkung erheblich ausdünnen. Man gibt nur hin und wieder ein Leckerli für das erwünschte Verhalten (nach dem Zufallsprinzip wie im Glücksspiel... man weiß nie wann man gewinnt, aber es passiert immer wieder, so dass man immer weiterspielt); dies bezeichnet man als „ein Verhalten aufrechterhalten“.
Training mit positiver Verstärkung bei Problemverhalten:
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne John Bradshaw aus seinem Buch „Dog Sense“ zitieren:
„Im besten Fall löscht dieser Ansatz (Anm.: Dominanzmodell) jegliche Freude aus, die mit der Haltung eines Hundes verbunden ist“.
(Bradshaw, J. (2012); S. 94. Dog Sense. Basic Books, Paperback)
Hintergrund für die Anwendung von Gewalt und Strafe ist sicherlich auch die Tatsache, dass sie eine gewisse Wirkung auf das gewünschte Hundeverhalten hat - zumindest kurzfristig. Der Hund wird ggfs. nicht mehr bellend in die Leine springen, wenn ihm die Luft sekundenlang abgeschnürt wurde oder nicht mehr am Menschen hochspringen, wenn er dafür einen heftigen Kinnhaken kassiert hat. Aber er lernt durch Strafe und Gewalt nicht das gewünschte Verhalten, er vermeidet oder unterdrückt nur sein Verhalten – das ist ein sehr wesentlicher Unterschied! Warum also, bringen wir unserem Hund nicht bei, was für ein Verhalten wir wollen und fördern und verstärken dieses?
Interessant ist m.E. auch, dass Training über Strafe und Gewalt in unserem Kulturkreis vor allem noch bei Hunden und Pferden angewendet wird, da diese beiden Tierarten dies bis zu einem relativ hohen Grad (vermeintlich) tolerieren und wir hier oft einen Mix aus Hobby-Trainern und semi-professionellen Trainern haben, die es oftmals nicht anders gelernt haben (siehe Dominanzmodell). Niemand würde heutzutage in einem professionellen zoologischen Umfeld auf die Idee kommen z.B. Löwen, Bären, Elefanten oder aber auch Affen oder Pinguine mit Gewalt auszubilden - und auch in diesem Umfeld findet sehr viel Training hinter den Kulissen statt, z.B. für das tägliche Handling und die Pflege, medizinische Kontrollen und Versorgung oder reibungslosen Gehege- und Käfigwechsel bei Reinigungsvorgängen. Auch Verlegungen bzw. Transporte in andere Zoos werden oft wochenlang im Vorfeld mittels positiver Verstärkung trainiert, um die Belastung und den Stress für die Tiere möglichst gering zu halten.
(Quelle: Chance, P. (2014). S. 248; Learning and Behavior (7th edition). Cengage Inc.)
Die gute Nachricht ist also, dass nicht nur gewünschtes Verhalten sondern auch die Änderung von Problemverhalten in den meisten Fällen mit Training auf Basis positiver Verstärkung erreicht werden kann – nachhaltig und dauerhaft.
Eine fundierte Ausbildung über die Grundgesetze des Lernens und Verhaltens bzw. Kenntnisse der modernen Lerntheorie auf wissenschaftlicher Basis macht dies möglich – es ist zum Glück eigentlich kein Hexenwerk.
Happy Training!