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Hundewissen

Auf dieser Seite möchte ich verschiedene Themen "rund um den Hund" ansprechen, die entweder neu sind, nicht so häufig thematisiert werden oder teilweise m.E. falsch interpretiert und weitergegeben werden. Die Updates erfolgen regelmäßig, schauen Sie also gerne immer wieder vorbei. Bei etwaigen Fragen dazu können Sie mich gerne kontaktieren.


Behavioral Wellness

 … oder warum die Behandlung von emotionalem Stress, insbesondere Angststörungen, bei Hunden wichtig ist und eine professionelle Verhaltensmodifikation in Kombination mit Training auf Basis positiver Verstärkung helfen kann

 

Der Zusammenhang zwischen emotionalem Stress und Verhaltensproblemen und der körperlichen Gesundheit ist in der Humanmedizin bereits gut dokumentiert, aber auch in der Veterinärmedizin gibt es immer mehr Belege dafür. Die akute und chronische Stressreaktion wirkt sich nicht nur auf das zentrale Nervensystem aus, sondern auch auf zahlreiche andere Systeme im Körper, z. B. auf das Herz-Kreislauf-System, den Hormonhaushalt, den Magen-Darm-Trakt und das Immunsystem. Chronische psychische bzw. emotionale Probleme und daraus resultierende Verhaltensprobleme sind mit Entzündungen, Störungen der Immunreaktion und einem erhöhten Risiko für andere chronische Entzündungs- und Stoffwechselkrankheiten verbunden.

Verhaltensprobleme im Zusammenhang mit Angst und Furcht bei Hunden stellen daher ein erhebliches Problem für das Wohlergehen der Tiere dar und haben zu umfangreichen Forschungsbemühungen geführt, die darauf abzielen, prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren zu ermitteln (Blackwell et al., 2013, Storengen und Lingaas, 2015, Kurachi et al., 2017, Hakanen et al., 2020).

Exkurs: Abgrenzung Furcht, Angst und Phobie

Furcht ist ein Zustand, der durch bedrohliche Reize ausgelöst wird, während Angst in Situationen auftritt, in denen negative Ergebnisse erwartet werden (Dobson, 2012; Landsberg et al., 2013). Phobie bezieht sich auf eine extreme und anhaltende Angstreaktion auf bestimmte Reize, die häufig durch Reize geringer Intensität ausgelöst wird (Blackwell et al., 2013, Dobson, 2012). Hunde mit starken Ängsten können ähnliche Reize oftmals generalisieren (d.h. auf andere, ähnliche Reize übertragen).

Die Gründe für die Entwicklung dieser Angststörungen sind vielfältig und reichen von mangelnder oder schlechter Sozialisierung in der Welpenphase, schlechten Erfahrungen mit der Umwelt allgemein (z.B. Tierschutzhunde), strafbasiertem Training bis hin zu täglichen, manchmal nur geringfügigen Bedrohungen.

 

Arbeitshypothese (Grundlage für laufende wissenschaftliche Forschung)

Eine aktuelle Arbeitshypothese1 lautet derzeit wie folgt:

  • Die Beobachtung bestimmter Verhaltensweisen bei Hunden lässt Rückschlüsse auf den psychologischen Stress zu
  • Gefangenschaft bzw. eingeschränkte Bewegung und/oder Langeweile sind ein Dauerstressor, tägliche weitere Stressereignisse (z. B. verbales Schimpfen durch den Hundehalter) können teilweise auch als Bedrohung wahrgenommen werden
  • Diese zwar geringfügigen, aber häufigen Bedrohungen lösen folgende Reaktionen im Körper der Hunde aus:
        - Hormonausschüttung (insbesondere Adrenalin und Cortisol)
        - Dadurch bedingte Störung der "Zelladhäsionsmoleküle" (Immunsystem)
        - Dadurch bedingte allmähliche Verschlechterung der Gesundheit (u.a. verkürzte Lebensspanne)

Folgende Krankheiten oder Beschwerden können möglicherweise ein Hinweis auf diese Stress-Reaktionen sein, wenn kein direkter und diagnostizierbarer medizinischer Grund vorliegt (Abklärung und Rücksprache mit einem Tierarzt ist selbstverständlich immer erforderlich und ratsam).
1. Hautallergien
2. Nahrungsmittelallergien
3. Entzündliche Darmerkrankungen
4. Blasenerkrankung
5. Schilddrüsenerkrankung
6. Nebennierenerkrankung
7. Autoimmunerkrankung
8. Krebs
9. vorzeitige Alterung 
1Dr. Tripp, R.; DVM – PsyMed-Vortrag IAABC Conference Asheville 2024; PsyMed ist die Wissenschaft vom Zusammenhang zwischen psychischem Stress und medizinischen Symptomen.

 

Bereits vorliegende Studienergebnisse zu den Auswirkungen von Angststörungen:
In einer Studie aus dem Jahr 2010 (Dreschel, N., 2010) konnten bereits folgende Zusammenhänge nachgewiesen werden:

  • „Gutes Benehmen“ (regelmäßiges Training) eines Hundes steht in Korrelation mit einer tendenziell höheren Lebenserwartung
  • Bei Hunden mit extremer nicht-sozialer Angst2 und Trennungsangst wurde eine erhöhte Schwere und Häufigkeit von Hauterkrankungen festgestellt
  • Die Angst vor Fremden oder andere unspezifische Ängste stehen zwar nicht in Zusammenhang mit spezifischen Todesursachen, aber die Lebensspanne ist oftmals signifikant verkürzt
Es gibt also bereits genügend Anhaltspunkte dafür, dass Stress, der durch das Leben mit einer Angststörung entsteht, negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebenserwartung von Haushunden haben kann.
2 Angst kann in zwei Kategorien eingeteilt werden, je nachdem, welche Reize die Angst auslösen. Soziale Angst umfasst die Angst vor anderen Hunden oder unbekannten Menschen, während nicht-soziale Angst die Angst vor verschiedenen Objekten, lauten Geräuschen und neuen Situationen umfasst.


Schlussfolgerung:

Auch wenn die Aussagen der Arbeitshypothese noch nicht vollumfänglich bewiesen und belegt sind, so ist doch eindeutig erkennbar, dass physische und emotionale Gesundheit sozusagen „Hand in Hand“ gehen. Auch aus eigenen menschlichen Erfahrungen lässt sich ableiten, dass Ängste aller Art sowie Dauerstress (sei es zwischenmenschlicher oder sonstiger emotionaler Stress) zu gesundheitlichen Einbußen oder gar Erkrankungen führen können. Dasselbe gilt folglich mit hoher Wahrscheinlichkeit für unsere Haustiere, also unsere Hunde.

 

Was können wir tun, um Ängste und emotionalen Stress bei unserem Hund zu reduzieren?
Neben einer medizinischen Abklärung durch den Tierarzt kann man z.B. durch die Umstellung auf positives Training (d.h. Abkehr von strafbasiertem Training und häufigem Schimpfen) das allgemeine Wohlbefinden des Hundes durch die Verbesserung der Beziehungsebene „Hund-Halter“ stärken und folglich die Stress-Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gezielt erhöhen. Der Hund kann zudem durch Verhaltensmodifikation lernen mit vorhandenen Ängsten besser umzugehen oder diese teilweise bis ganz abzubauen - bspw. durch eine rehabilitierende Sozialisierung (Gegenkonditionierung oder systematische Desensibilisierung durch graduelle Reiz-Exposition).
Auch die Kenntnis über artgerechte entspannungsfördernde Beschäftigungen (Schnüffeln) und gezielte körperliche und geistige Auslastung kann zu einem besseren Allgemeinbefinden und damit zu besseren Stress-Abbau oder einem reduzierten Stress-Empfinden führen. Des Weiteren geht die regelmäßige Umsetzung eines sog. konditionierten Ruheprotokolls häufig mit einer Verbesserung der allgemeinen Stress-Toleranz einher. Oftmals fördert auch einfach Trick- oder Spaß-Training (natürlich mittels positiver Verstärkung) die kognitiven Fähigkeiten und insbesondere die Entwicklung von alternativen Lösungsstrategien, was sich wiederum direkt und indirekt positiv auf das individuelle Verhalten des Hundes in Stress-Situationen auswirken kann.

Anmerkung: Selbstverständlich sind immer Einzelfallbetrachtungen erforderlich, da die individuellen Bedürfnisse, die Lebensumstände sowie die Lernhistorie etc. von Hund zu Hund unterschiedlich sind.

Sources: Nancy A. Dreschel, The effects of fear and anxiety on health and lifespan in pet dogs, Applied Animal Behaviour Science, Volume 125, Issues 3–4, 2010, Pages 157-162, ISSN 0168-1591



"Hundesignale richtig deuten"


Wenn ich meinen Hund umarme und eng an mich drücke, zeige ich besonders deutlich meine enge Beziehung mit dem Hund...., oder?:

Die Kommunikation zwischen Menschen und Hund läuft oftmals für beide Arten unklar und unverständlich ab. Insbesondere das Umarmungs-, Streichel- und Spielverhalten zwischen Mensch und Hund kann die Ontogenese (Individualentwicklung) des Hundes leider teilweise negativ beeinflussen. Besonders häufig ist dies in Online- bzw. Social-Media-Videos (bspw. YouTube, Instagram) zu sehen, die Menschen mit Ihren Hunden in vermeintlich besonders harmonischen Spiel-, Spaß- oder Kuschel-Situationen zeigen, wie z.B. neuerdings bei gemeinsamen Yogaübungen oder der Hund als Nikolaus und Osterhase verkleidet und von Kindern oder Frauchen eng und innig umarmt oder die Kinder mit Hund ins Hundebett gekuschelt - und alle strahlen gemeinsam in die Kamera. 

WIRKLICH ALLE? Hier ist für Fachleute oftmals ein hohes Maß an Stress und agonistischem Verhalten bei den Hunden zu erkennen. Dies äußert sich meist durch das Zeigen von Beruhigungssignalen oder Beschwichtigungsverhalten, genauer gesagt, anerkannten Stressindikatoren*, wie z.B.: Abwenden des Kopfes, Ober- und Unterkiefer aufeinandergepresst, sog. Walaugen, Blinzeln, Lippen- oder Nasenlecken, Lächeln, Erstarren, Gähnen, Ablecken des Menschen, Zurücklegen der Ohren oder Hecheln und kann irgendwann mit Bellen und Knurren oder letztlich Beißen enden.

 

Einige der aufgezählten Verhaltensweisen werden von den Menschen sehr oft und fälschlicherweise als süß oder niedlich interpretiert und daher besonders gerne gezeigt oder mit Selfies eingefangen bzw. geteilt und geliked: die ganze Welt soll sehen, wie innig die Beziehung zu meinen Hund ist. Manchmal hat man regelrecht das Gefühl, dass eine Art Wettbewerb um das lustigste, süßeste oder am engsten gekuschelte Hunde-Foto/Video entbrannt ist und immer wieder von noch absurderen Ideen, gestellten vermenschlichten Szenen oder Kostümierungen der Hunde übertroffen werden muss. Zu allem Übel erhalten diese Posts dann auch noch die meisten "Likes".

(Anm.: ich spreche hier nicht von den normalen Foto-Schnappschüssen oder lustigen Situationen  mit  dem Hund - die wir alle lieben - sondern von arrangierten Foto- oder Videosessions wo die Hunde meist unbewusst in für sie unangenehme bis fast unerträgliche Situationen gebracht werden, z.B. durch Festhalten mit Umarmen, Fixieren oder den Hund unnatürlich Verkleiden oder andere unangemessene Inszenierungen).


ABER: Tolerieren ist nicht mögen!!! Unsere Hunde ertragen einiges und senden viele kleine (Beschwichtigungs-)Signale in der Hoffnung, dass der Mensch diese erkennt und ablässt, ehe sie dann manchmal aus ihrer Not heraus reagieren müssen - und keiner hätte dies je für möglich gehalten. Der Hund hat das noch nie gemacht??? Der Hund knurrt die Kinder an oder schnappt plötzlich... das kann man nicht dulden, so böse war er noch nie oder der Hund muss weg, weil er verhaltensgestört ist (überfüllte Tierheime sprechen leider Bände darüber). 

In der Regel hat der Hund vor der problematischen Reaktion oder dem Biss aber mehrfach mit allen ihm zur Verfügung gestellten "hündischen" Mittel und Ausdrucksweisen schon versucht sein Unbehagen auszudrücken - nur leider können viele Menschen diese Zeichen offensichtlich nicht lesen und erkennen. Oder noch schlimmer: sie werden fehlinterpretiert, wie z.B. der Hund schleckt mich oder das Kind vor lauter Zuneigung ab, wenn wir ihn umarmen (nein: er beschwichtigt und möchte diese Situation beenden) oder er "lächelt" und legt die Ohren zurück, wenn ich ihn drücke (nein: er lächelt nicht und freut sich auch nicht, er möchte diese Situation beenden).

 

Eine gezielte Aufklärung über Hundeverhalten und Stress-Signale ist daher insbesondere für Kinder aber auch für Erwachsene sehr wichtig, um möglicherweise daraus resultierende Verhaltens- oder Beziehungsprobleme oder gar Beißvorfälle von vorneherein zu verhindern und die Bedürfnisse des Hundes respektieren zu lernen. 

Unsere zwischenmenschlichen Liebes- und Zuneigungsbekundungen entsprechen nicht unbedingt denjenigen unserer felligen Freunde, z.B. Festhalten und Umarmen empfinden die wenigsten Hunde als angenehm. Auch (häufiges) Betatschen, Klopfen und über den Kopf streicheln ist meist keine angenehme Sache für unsere Hunde und wenn man genau hinsieht, weichen die meisten Hunde bei diesen Berührungen aus bzw. zurück oder erstarren bzw. "beschwichtigen" und tolerieren diese nur. Besser ist kurzes Schulter/Rumpf streicheln und abwarten - wenn der Hund mehr möchte, kommt er von selbst wieder und wenn er (zurück)geht oder sich abwendet ist das ein klares Zeichen. 

Viele Hunde genießen einfach nur das normale Zusammensein mit ihrem Menschen oder haben bestimmte Stellen wo sie gerne angefasst werden oder bevorzugen das Kontaktliegen, z.B. auf dem Sofa - sofern man das möchte.

Die Kenntnis über Kommunikationssignale unserer Hunde in Kombination mit richtigem Training und hundegerechter Interaktion kann das Wohlergehen von Hund und Mensch verbessern und eine stabile und dauerhafte Mensch-Hund-Bindung auf Basis von gegenseitigem Vertrauen schaffen.

(Quelle: Walsh, E.A. et al., Human-dog communication: How body language and non-verbal cues are key to clarity in dog directed play, petting and hugging behaviour by humans, Applied Animal Behaviour Science Journal Vol. 272, Elsevier, March 2024)
* Mariti et al., 2014, Mariti et al., 2017, Rugaas, 2006, Shepherd, 200
2



"Dominanz im Hundetraining, der Mensch soll Rudelführer sein bzw. man muss dem Hund zeigen, wer der Boss ist!"


Diese oder ähnliche Begriffe sowie korrespondierende Trainingsmethoden halten sich hartnäckig in Hundehalter- aber leider auch in Trainerkreisen. Die Frage ist WARUM? Wahrscheinlich geht das fortlaufende Benutzen dieser Ausdrücke auf den auf Wölfe spezialisierten Verhaltensforscher David Mech zurück, der sich mit seinem Begriff "Alphamännchen" auf ein Konzept der sozialen Dominanz berief – dies war eine Zeitlang auch sehr populär, insbesondere hier in Deutschland, ist aber mittlerweile in wissenschaftlichen Kreisen weitgehend aufgegeben worden. David Mech selbst hat das Konzept zurückgezogen und zugegeben, dass er bei seinen Forschungen einen großen Fehler gemacht hat und dass dieses Konzept von Dominanz und Alphas usw. nicht angemessen ist. Dies scheint aber leider zu den bestehenden Verfechtern dieser Theorien nicht durchgedrungen zu sein. Andere Untersuchungen gehen mittlerweile davon aus, dass die Umsetzung dieses Konzepts selbst wiederum sehr verstärkend für manche Menschen ist - im Sinne von "Macht ausüben gegenüber Schwächeren". 

Das Problem war, dass David Mech das Sozialverhalten von Wölfen in Gefangenschaft beobachtete und nicht das von echten Wolfsfamilien (Wolfsrudeln) in freier Wildbahn. Unter dem Stress der Gefangenschaft verhielten sich die Wölfe abnormal und haben folglich diese angeblichen "Hierarchien" gebildet. Das ist so, als hätte man menschliche Familienstrukturen analysieren wollen, indem man die schlimmsten überfüllten Gefängnisse beobachtet und diesbezüglich Vergleiche anstellen würde. 
Kleiner Exkurs zum häufig verwendeten Begriff Rudel bzw. zum Vergleich mit Wölfen: ein Rudel ist eine geschlossene und individuelle Tiergruppe derselben Spezies, i.d.R. eine Fortpflanzungsgemeinschaft, meist bestehend aus einem Elternpaar mit Nachkommen - wie das bei Wölfen in freier Wildbahn der Fall ist.  Daraus folgt, dass Menschen und Hunde dementsprechend kein Rudel formen können. Auch bei Hunden, die nicht direkt mit Menschen zusammenleben (z.B. Bengalische Paria-Hunde), wird eher ein loser und veränderbarer Verbund von 5 - 10 Hunden (bestehend aus Familienmitgliedern sowie fremden Hunden) gebildet, wo man gemeinsam lebt und das Territorium verteidigt, aber individuelle Fortpflanzung jederzeit möglich ist. Also auch wenn der Hund und der Wolf nachweislich auf gemeinsame Vorfahren (Grauwolf) zurückblicken und eine hohe genetische Übereinstimmung haben (ca. 99,96%), hat sich durch die lange Zeit der Domestikation (=Haustierwerdung) unserer Hunde einiges hinsichtlich  Verhalten und Physiologie verändert. 

Aber nun zurück zum Dominanz-Konzept:
Bei dem Konzept der sozialen Dominanz geht es darum, zu betonen und zu bestimmen, wer über oder unter wem rangiert. Wenn wir das auf unsere Haustiere bzw. Hunde übertragen, würden wir einen Interaktionsrahmen wie unter Gegnern schaffen, wo also einer auf Kosten des anderen gewinnen muss. Spätestens hier muss man sich die Frage stellen, ob das tatsächlich angemessen ist und man so mit seinem Haustier leben möchte.

 

Das übliche Ergebnis solcher gegensätzlichen Beziehungen ist eine Konditionierung, die auf aversiver Stimulation beruht und darauf abzielt, die andere Partei (hier: den Hund) quasi zu entmachten, anstatt sie zu stärken. Häufig treten in diesem Zusammenhang Verhaltensweisen im Sinne von Gegenkontrolle auf (z.B. aggressives Verhalten des Hundes gegenüber dem Besitzer), die in der Regel als Beweis für die soziale Dominanz selbst interpretiert werden. Tatsächlich sind sie meist aber nur die Folge der aversiven Konditionierung, indem der Hundehalter sich absichtlich als Hindernis zwischen den Hund und seine Verstärker stellt (wohlgemerkt: als Hindernis und nicht als Quelle des Verstärkers) und so ist es vollkommen vorhersehbar, dass der Hund schließlich Verhaltensweisen zeigt, die darauf ausgerichtet sind, diese Hindernisse zu umgehen oder zu überwinden - das ist schließlich das, was Verhalten grundsätzlich bewirken soll.

Diese Gegenkontrollverhaltensweisen werden dann mit menschlichen Attributen wie "Sturheit" und manipulatives "Statusstreben" (soziale Dominanz) und dgl. interpretiert.

 

Modernes Hundetraining konzentriert sich im Gegensatz dazu auf die tatsächlich vom Hund gezeigten und möglichst objektiv beobachtbaren Verhaltensweisen - OHNE menschliche Interpretationen oder Statusgedanken wie „der Hund will der Boss sein“ oder „der Hund will mich oder andere Hunde in die Schranken weisen“ oder „mein Hund will mich oder den anderen Hund dominieren“.
Beispiel: wenn ein anderer Hund im Abstand von 20 m in die Nähe kommt, geht mein Hund nach vorne, bellt (oder knurrt) und springt in die Leine. 
Letzteres ist eine relativ objektive und konkrete Beobachtung - ohne Interpretation - von Verhalten bzw. "was macht der Hund" , mit der wir effektiv arbeiten können im Sinne von der Klärung folgender Fragen: „was löst das Verhalten aus“, „welche Konsequenz ergibt sich daraus für den Hund“ sowie „welche Alternative zu dem gezeigten Problemverhalten können wir etablieren“ bzw. "welche Veränderungen können wir vornehmen, um das Problemverhalten möglichst zu verhindern", wie z.B. mehr Abstand halten.
Menschliche Interpretationen von Hundeverhalten wie "der Hund will mich verteidigen/beschützen" oder "der Hund möchte der Rudelführer bzw. Boss sein - ich oder er" sind KEIN VERHALTEN, also irrelevant für Trainings- und Verhaltensänderungskonzepte und beheben vor allem nicht das zugrundeliegende Problem (= die Funktion des gezeigten Verhaltens). Konzentrieren Sie sich also besser auf gut aufgebautes und möglichst fehlerloses Training auf Basis positiver Verstärkung und Grundlage einer funktionalen Verhaltensanalyse oder in anderen Worten: Trainieren Sie einfach mit Ihrem Hund das erwünschte Verhalten indem Sie die Bedingungen dafür schaffen!

Quellen: O’Heare, J. (2017). Aggressive Behavior in Dogs, (3rd edition). Behave Tech Publishing;

                Bradshaw, J. (2012). Dog Sense. Basic Books, Paperback